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Schulabsentismus bzw. Schule schwänzen – was steckt dahinter?

Schule schwänzen, sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schulabsentismus oder die Abwesenheit von der Schule ohne gesetzlichen Rechtfertigungsgrund, gilt als Schulpflichtverletzung. Das Thema ist unter Strafe gestellt, aber wird der Grund dafür überhaupt betrachtet? Schulabsentismus kann ein Zeichen für große Belastung sein und kommt nicht grundlos vor.

Schulabsentismus bzw. Schule schwänzen – was steckt dahinter?

Schule schwänzen, sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen. Schulabsentismus oder die Abwesenheit von der Schule ohne gesetzlichen Rechtfertigungsgrund, gilt als Schulpflichtverletzung. Wer der Schulpflicht nicht nachkommt, muss mit einer Geldstrafe von 110 bis 440 € rechnen. Das Thema ist also unter Strafe gestellt, aber wird der Grund dafür überhaupt betrachtet? Schulabsentismus kann ein Zeichen für große Belastung sein und kommt nicht grundlos vor.

In diesem Beitrag gehen wir auf die Ursachen und die Stellung der Betroffenen und Angehörigen bei Schulabsentismus ein und veranschaulichen, wie Belastungen, die damit einhergehen, kategorisiert werden.

Der gemeinsame Faktor, der sich über die Perspektiven, die wir in diesem Beitrag behandeln, streckt, ist das Verhalten der Eltern der Schüler:innen, die von Schulabsentismus betroffen sind.

Schule als sicherer und schöner Ort

Im Kindes- und Jugendalter verbringt man einen erheblichen Teil der wachen Zeit in der Schule. Das bedeutet, sie hat einen enormen Einfluss auf Kinder und Jugendliche. Idealerweise ist sie ein Ort, an dem Schüler:innen gerne ihre Zeit verbringen, ihre Persönlichkeit entfalten und Kompetenzen erlernen können.  

Gleichzeitig ist sie ein Ort, an dem man versagen und gemobbt werden kann. Ein Ort, an dem man Angst vor seinen Mitschüler:innen und/oder Lehrer:innen entwickeln kann und ein Ort, an dem Konflikte ausgetragen werden. 

Ängste oder Aversionen können die Attraktivität und die Sicherheit, die die Schule normalerweise vermitteln sollte, deutlich beeinträchtigen und den Schulbesuch unmöglich machen, was wiederum zu Schulabsentismus führt.

Schulabsentismus als Prozess

Fast jede:r Schüler:in schwänzt einmal im Laufe der Zeit den Unterricht. Besonders schwierig wird es, wenn dies zu einer Gewohnheit wird und sich in Schulverweigerung oder Schulabsentismus entwickelt. Schulabsentismus kann schwere Folgen auf den Schulabschluss und auch den Berufsweg der Betroffenen haben.

Schüler:innen fehlen in der Regel nicht von heute auf morgen durchgehend im Unterricht. Dies geschieht eher schrittweise und die Fehlstunden summieren sich langsam über die Zeit. Dadurch distanzieren sich Schüler:innen immer mehr von üblichen Abläufen und kommen aus der Routine heraus. Sie müssen sich dazu überwinden, in die Schule zu gehen. Diese Entwicklung ist, abhängig wie stark sie vorangeschritten ist, nicht so leicht umkehrbar. Daher ist es wichtig, früh zu intervenieren, bevor solche Verhaltensmuster überhand nehmen.[Quelle: betzold.at]

Schulabsentismus: Formen und Begrifflichkeiten

Schulabsentismus ist ein Oberbegriff für verschiedene Erscheinungen, welche als Gemeinsamkeit haben, dass Schüler:innen aus illegitimen Gründen nicht in der Schule erscheinen. Man kann das Phänomen aus mehreren Perspektiven betrachten und wir stellen zwei Ansätze davon gegenüber.

Drei Formen von Schulabsentismus

Laut einer Studie lässt sich Schulabsentismus in drei Unterkategorien gliedern: angstbedingtes Meidungsverhalten, aversionsbedingtes Schulschwänzen und elternbedingtes Zurückhalten. Diese Klassifikation von Schulabsentismus ist sowohl international anerkannt als auch durch die deutlich unterscheidbaren Einflussfaktoren legitimiert.[Quelle: Fischer, Dunkake, Ricking: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie]

Angstbedingtes Meidungsverhalten

Schüler:innen erleben beim (bevorstehenden) Schulbesuch ausgeprägte Ängste und psychosomatische Beschwerden, weswegen sie lieber zu Hause bleiben. Schulangst kann sehr unterschiedliche Erscheinungsformen haben. Sie kann direkten oder indirekten Bezug zur Schule haben. Dabei kann es sich zum einen um Trennungsängste in Betracht auf die Eltern bzw. Erziehungsberechtigten handeln. Zum anderen kann sie sich in Form von Versagensängsten oder Prüfungsängsten äußern. Außerdem können Schüler:innen Angst vor Mobbing seitens ihrer Mitschüler:innen oder auch vor den Lehrkräften haben.

Schüler:innen, die an Schulangst leiden, sind dadurch charakterisiert, dass sie eine misserfolgsorientierte Denkweise haben. Das bedeutet, sie fürchten sich vor Misserfolgen und rechnen auch mit diesen. Sie glauben nicht, dass sie ihre Leistungsanforderungen erfüllen können, schätzen ihre Leistungsfähigkeit gering ein und haben ein negatives Selbstbild. Dadurch kann auch ihr Leistungspotenzial nicht erschöpft werden.[Quelle: Fischer, Dunkake, Ricking: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie]

Aversionsbedingtes Schulschwänzen

Jedem von uns ist bekannt, wie langweilig Unterricht sein kann und so kommt es dazu, dass Schüler:innen aus Aversion den Unterricht schwänzen und lieber angenehmeren Tätigkeiten nachgehen. Betroffene sind ablehnend oder feindselig der Schule gegenüber eingestellt. Sie sehen die Sinnhaftigkeit an der Teilnahme am Unterricht nicht ein und haben keine Lust, ihre Zeit dort zu „verschwenden“.[Quelle: Fischer, Dunkake, Ricking: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie]

Elternbedingtes Zurückhalten

Nicht selten sind die Erziehungsberechtigten diejenigen, die ihre Kinder dazu veranlassen, Unterricht auszusetzen. Sie zeigen Gleichgültigkeit oder tolerieren den Schulabsentismus des Kindes und geben dem Kind dadurch den Eindruck, Schulausbildung sei nicht wichtig und es ist in Ordnung, den Unterricht zu versäumen. Das kann Auswirkungen auf die Einstellung der Betroffenen gegenüber der Lehranstalt haben.[Quelle: Fischer, Dunkake, Ricking: Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie]

Schulabsentismus: Vier Quellfelder von Ursachen

Schulabsentismus kann mehrere Gründe haben und zahlreiche Einflussfaktoren können dabei ausschlaggebend sein. Kinder und Schüler:innen, die den Unterricht meiden, haben oft mit belastenden Lebensumständen zu kämpfen und sehen keinen anderen Ausweg.

Die Ursachen können vielfältig und miteinander verbunden sein. Sie können im Allgemeinen in 4 Kategorien unterteilt werden: Individuum, Freundeskreis & Mitschüler:innen, Eltern & Familie und Schule.[Quelle: sichergsund.ch]

Individuum

Man kennt es – man hat sich wieder mal lange für eine Schularbeit vorbereitet und es hat trotzdem nicht gereicht. In solchen Situationen kommen schnell Selbstzweifel hoch und man geht schwer mit der Überforderung um. Wenn es noch dazu keine Bezugsperson gibt, die einen auffängt, ist es schon fast zu erwarten, dass man den Unterricht ungern besucht.

Für manche ist der Unterrichtsstoff auch einfach zu langweilig und sie gehen lieber anderen Beschäftigungen nach. Dabei kann Langeweile auch ein Zeichen für Über- bzw. Unterforderung sein und der Förderbedarf bleibt unberücksichtigt.  

Freundeskreis und Mitschüler:innen

Wenn die Freundesgruppe keine Lust auf Unterricht hat, fällt es Betroffenen schwer, nein zum Schwänzen zu sagen. Der Wunsch nach Zugehörigkeit und Angst vor Ablehnung der Peers sind groß und man will nicht ausgeschlossen werden. Ungünstige soziale Positionen können auch eine negative Einstellung gegenüber der Schule bewirken. Stichwort Mobbing. 

Heutzutage hört Mobbing nicht mit dem Läuten der Schulglocke auf. Betroffene sind nicht selten neben dem Mobbing in der Schule auch Opfer von Cybermobbing. Das bedeutet, sie werden auch außerhalb der Schule beispielsweise auf Social-Media-Plattformen gehänselt oder bloßgestellt. Das Mobbing nimmt „kein Ende“ und Schüler:innen versuchen dem Ganzen durch Schulvermeidung zu entfliehen. 

Eltern / Familie

Zum einen üben viele Eltern starken Druck an ihren Kindern aus und wollen, dass sie in der Schule permanent gut abliefern. Für Schüler:innen kann dieser Leistungsdruck und das ständige Bedürfnis gut abzuschneiden sowie nicht zu versagen sehr belastend sein und dazu führen, dass die Schule gemieden wird.

Zum anderen wird Schulschwänzen durch elternbedingtes Zurückhalten begünstigt. Beispielsweise, wenn ein Elternteil an einer Krankheit leidet und an die Hilfe des Kindes angewiesen ist. Manche Eltern verhalten sich der Schule gegenüber gleichgültig oder finden sie nicht relevant.

Schule

Die Schule ist der Ort, an dem Schulabsentismus „stattfindet“ und ist somit eine bedeutende Umgebung. Zwischenmenschliche Beziehungen sind in diesem Bereich der größte Einflussfaktor für Schulabsentismus.

Das Schulklima, die Art und Weise, wie Lehrpersonen mit ihren Schülerinnen und Schülern, aber auch wie Schülerinnen und Schüler miteinander umgehen und in Kontakt stehen, hat einen direkten Einfluss auf das Wohlbefinden jedes Einzelnen und daraus abgeleitet auch darauf, ob geschwänzt wird oder nicht.[Quelle: sichergsund.at]

Eine Fragebogenuntersuchung aus 2016 mit rund 4000 Schüler:innen von Sicher!gsund! hat ergeben, dass folgende Antworten die drei am häufigsten genannten Gründe für das Schwänzen sind: keine Lust auf Schule, ausschlafen wollen und langweiliger Unterricht. Weitere Gründe sind in der Abbildung aufgelistet.

Fragebogen-Untersuchung: «Warum hast du geschwänzt?» von sicher!gsund!

Gegenüberstellung der Ansätze

Beide Ansätze sind miteinander verbunden, aber es gibt einige Unterschiede. Im ersten Ansatz manifestieren sich die Ursachen von Schulabsentismus im Verhalten. Dieses wird in drei Formen klassifiziert: angstbedingtes Meidungsverhalten, aversionsbedingtes Schulschwänzen und elternbedingtes Zurückhalten. Hierbei werden die emotionalen und psychischen Aspekte wie Schulangst, Versagensängste und Mobbing hervorgehoben, welche die Schüler:innen selbst in den Vordergrund stellen. 

Der zweite Ansatz unterteilt die Ursachen in vier Hauptkategorien: Individuum, Freundeskreis & Mitschüler:innen, Eltern & Familie und Schule. Dabei werden auch Umweltfaktoren wie Schulatmosphäre, Erfolgserwartungen von außen und der Einfluss von Peers unterstrichen.

Sowohl der erste als auch der zweite Ansatz weisen darauf hin, dass Schüler:innen nicht einfach so Schule schwänzen, sondern dass es eine Menge an Gründen geben kann, die ihre Handlungen beeinflussen. Beide Ansätze weisen auf die Beteiligung der Eltern hin, ob durch Unterstützung oder Veranlassung des Schulabsentismus. Eltern können großen Einfluss auf die Einstellung und das Verhalten ihrer Kinder der Schule gegenüber haben.

Unser Appell an die Eltern

An der Stelle appellieren wir an euch, liebe Mütter und Väter, die diesen Beitrag lesen, euch zu überlegen, welche Rolle ihr bei diesem Thema spielt. Wie trägt ihr dazu bei? Was könnt ihr tun, wenn ihr merkt, dass euer Kind angefangen hat, immer mehr im Schulunterricht zu fehlen?

Wer hilft dir weiter, wenn du betroffen bist?

Wenn du von Schulabsentismus betroffen bist oder allgemein unter psychischen Beschwerden leidest, stehen dir Beratungsstellen, die du kontaktieren kannst, zur Verfügung. Wir haben einige davon aufgelistet:

·      Die Boje Wien (für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre), unter 0043 1 406 66 02

·      Telefonseelsorge, unter 142

·      Rat auf Draht, unter 147

·      Ö3 Kummernummer, unter 116 123

Unser Fazit

Schulabsentismus ist ein drängendes Problem, das die Sicherheit und das Wohlbefinden von Schüler:innen gefährdet. Die vielfältigen Ursachen zeigen, dass es dafür keine einfache Lösung gibt. Die vorgestellten Ansätze basieren auf emotionalen und psychischen Aspekten und betonen die Bedeutung des elterlichen Einflusses.

Wenn du dich als Schüler:in, Elternteil oder Lehrkraft in diesem Beitrag wiederfindest, dann überlege, was deine Rolle ist und wie du darauf Einfluss nehmen kannst. Es ist die Verantwortung der Gesellschaft, dieses Thema anzuerkennen, ganz normal darüber zu sprechen und Menschen dafür zu sensibilisieren. Wir müssen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass die Schule ein Ort ist, an dem sich jede:r Schüler:in sicher und unterstützt fühlen kann.

Zeit für Veränderung

Reißen wir die Mauern des Schweigens gemeinsam ein und schaffen eine inklusive Gesellschaft, in der psychische und physische Erkrankungen gleichermaßen akzeptiert und unterstützt werden.

Zeit für Veränderung

Reißen wir die Mauern des Schweigens gemeinsam ein und schaffen eine inklusive Gesellschaft, in der psychische und physische Erkrankungen gleichermaßen akzeptiert und unterstützt werden.