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Klimaangst und andere psychologische Auswirkungen des Klimawandels
Umweltkatastrophen häufen sich und jedes Jahr werden Temperaturrekorde gebrochen. In den Nachrichten ist die Rede von Artensterben und von verschwindenden Lebensräumen. Die Zukunft sieht nicht rosig aus und ein treibender Faktor für diese Entwicklung ist der Klimawandel. Diese Bedrohung ist akut und was sie hervorruft, ist Klimaangst. In diesem Artikel wird beschrieben, warum das Thema Klimaangst so wichtig ist, wie diese Angst laut Psychologie entsteht und welche Folgen sie auf das tägliche Leben hat. Schließlich wird erläutert, wie Menschen unterschiedlich auf diese Ängste und Sorgen reagieren und wie Resilienz gestärkt werden kann.
Was ist Klimaangst?
Klimaangst ist die Angst, die mit der Wahrnehmung der Folgen des Klimawandels einhergeht. Sie kann entstehen, ohne dass man direkt betroffen ist – allein das Wissen um den Klimawandel reicht aus, um dieses Phänomen auszulösen (Clayton, 2020).
Klimawandel als Stressor zeichnet sich dadurch aus, dass er eine reale Bedrohung ist, sich permanent weiterentwickelt, ungewiss ist und es sich um eine global geteilte Erfahrung handelt. Der Klimawandel stellt eine existenzielle Bedrohung dar, die die Grundsätze der Gesellschaft und des sozialen Miteinanders infrage stellt (Clayton, 2020). Es sind gravierende Veränderungen, an die sich die Menschheit nicht mehr anpassen kann (Schmitt & Plank, 2023).
Klimaangst bedeutet nicht, dass eine klinisch relevante Angststörung vorliegt, denn sie ist eine verständliche, wenngleich schmerzhafte Reaktion auf die momentane Situation (Dodds, 2021). Die damit verbundenen Ängste sind oftmals von enormen Schulgefühlen und Scham begleitet, nicht genug zu tun, um den Klimawandel abzuschwächen (Lau et al., 2024). Klimaangst kann als Anpassungsreaktion verstanden werden, die bevorstehende Gefahr vermittelt. Sie kann allerdings problematisch werden: Wenn das Thema zu Schlafstörungen und Beeinträchtigungen im sozialen Leben führt, handelt es sich nicht mehr nur um Sorgen und es sollte eine Medien-Pause eingelegt werden (Clayton, 2020).
Neben Angst berichten Betroffene auch von Hoffnungslosigkeit, Wut und Traurigkeit. Viele verspüren Frustration über ältere Generationen, da vielen die Zukunft des Planeten egal zu sein scheint und Anliegen der Jungen belächelt werden. Es frustriert, dass Tipps zur Nachhaltigkeit vor allem den individuellen Lebensstil fokussieren, während strukturelle Ursachen ausgeklammert werden (Clayton, 2020; Thomas et al., 2022).
Weitere psychologische Auswirkungen
Eco-Trauer
Verlust bedeutet, dass etwas, in das emotional investiert wurde, weniger wird oder verschwindet. Bezogen auf die Umwelt kann das der Verlust von Lebensraum oder fehlende Zukunftsperspektiven sein. Der Mensch reagiert auf solche Verluste mit Eco-Trauer (Comtesse et al., 2021).
Eco-Trauer kann sich auf vergangene physische Verluste beziehen, zum Beispiel Zerstörungen durch extreme Wetterereignisse. Sie geht ebenfalls mit dem Verlust von Umweltwissen einher, da bisherige Annahmen über die Umwelt nicht mehr gelten. Ebenso kann diese Trauer aufgrund von potenziellen, zukünftigen Verlusten empfunden werden (Comtesse et al., 2021)
Solastalgie
Viele Menschen entwickeln in ihrem Leben eine tiefe Verbundenheit mit Orten und diese werden Teil ihrer Identität. Der Begriff Solastalgie beschreibt das Trauern um den Verlust eines solchen Ortes und tritt auf, wenn dieser von irreversiblen Veränderungen betroffen ist (Comtesse et al., 2021).
Zukunftsangst
Auf einem toten Planeten kann es keine Zukunft geben und dieses Wissen wirkt sich auf Zukunftsplanungen aus. So geben Befragte an, aufgrund der zukünftigen Lebensbedingungen keine Kinder bekommen zu wollen (Clayton, 2020; Godden et al., 2021). Auch der fehlende gesellschaftliche Aufschrei sorgt für Besorgnis, insbesondere hinsichtlich der Konsequenzen für nachfolgende Generationen und ihre nicht ernst genommenen Sorgen und Ängste (Stewart et al., 2023).
Junge Menschen sind besonders von Klimaangst betroffen, da sie die Generation sind, die die Konsequenzen des aktuellen Lebensstils erstmals deutlich spüren werden. Diese Angst ist nicht gleichmäßig verteilt: Sie trifft vorrangig jene Menschen, die sich intensiv mit Umweltschutz beschäftigen oder bereits Erfahrungen mit direkten Auswirkungen der Klimakrise gemacht haben (Clayton, 2020).
Einfluss auf die psychische Gesundheit
Klimawandel geht mit extremen Wetterereignissen einher, die unter anderem PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung), Depressionen, Angststörungen und Substanzmissbrauch zur Folge haben können. Auch häusliche Gewalt nimmt häufig nach Naturkatastrophen zu (Clayton, 2020).
Kinder und Jugendliche sind besonders vulnerabel und bei ihnen zeigen sich nach solchen Ereignissen erhöhte suizidale und depressive Tendenzen. Je häufiger sie solche Katastrophen erleben, desto stärker die genannten Symptome. Ganz allgemein gibt ein Großteil junger Menschen an, dass die Klimakrise sich negativ auf ihre Psyche auswirke (Treble et al., 2023).
Plötzlich auftretende Extremereignisse stehen dabei deutlich stärker in Zusammenhang mit klinisch relevanten Störungsbildern als langsam voranschreitende Umweltveränderungen. Welche genauen Konsequenzen die langsamen Veränderungen auf die mentale Gesundheit haben, bedürfen noch einer ausführlicheren Untersuchung (Marazziti et al., 2021).
Zu diesen offensichtlichen Stressoren kommen indirekte Effekte hinzu. Naturkatastrophen können Systeme zusammenbrechen lassen, was enormen Stress verursacht, da zum Beispiel die Trennung von Familien oder eine unterbrochene Schulbildung mental herausfordernd sind. In den nächsten Jahren wird es außerdem zu einer Zunahme von Klimaflüchtlingen kommen, da viele Gebiete nur mehr unter sehr schwierigen Bedingungen bewohnbar sein werden. Unfreiwillige Migrationserfahrungen sind eine erhebliche psychische Belastung, da Menschen ihre Lebensgrundlage verlieren und in prekären Verhältnissen leben (Clayton, 2020; Treble et al., 2023).
Nach Katastrophen ist psychologische Betreuung unumgänglich, um das Risiko für PTBS zu senken. Ebenso ist es wichtig, alle Gefühle zuzulassen. Achtsamkeitstraining kann ebenfalls helfen, besser mit negativen Emotionen umzugehen (Kurth & Pihkala, 2022; Treble et al., 2023). Überdies spielt die Kommunikation in den Nachrichten eine zentrale Rolle: Der Inhalt sollte klar vermittelt werden, sodass die Bevölkerung vorbereitet ist und Strategien kennt, um mit etwaigen Ängsten angemessen umzugehen (Godden et al., 2021).
Umgang mit Klimaangst
Emotionen wirken nicht isoliert – sobald sie da sind, reagiert der Mensch darauf. Der Umgang mit diesen Gefühlen ist für das Wohlbefinden dabei wichtiger als die Emotion selbst (Ojala, 2021).
Reine Sorge ist zu wenig, um ins Handeln zu kommen, weswegen die Emotion der Angst wesentlich für Verhaltensänderung ist (Stewart et al., 2023). Klimaangst ist deswegen am produktivsten, da sie im Gegensatz zu Wut eine vorwärtsgerichtete Emotion ist (Kurth & Pihkala, 2022). Ob das Gefühl der Bedrohung in Handeln umgewandelt wird, hängt zudem stark von der individuellen Selbstwirksamkeit ab – also dem Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, Herausforderungen zu bewältigen (Clayton, 2020). Selbstwirksamkeit sorgt dafür, die Kontrolle zu behalten und ist notwendig, damit Angst nicht überhandnimmt (Chen et al., 2020). Auch die kollektive Wirksamkeit, die Überzeugung, als Gruppe etwas ändern zu können, ist wesentlich (Schmitt & Plank, 2023).
Bewältigungsmechanismen
Für den Umgang mit Klimaangst und Klimawandel gibt es unterschiedliche Bewältigungsmöglichkeiten (Clayton, 2020, Ojala, 2021):
- Emotional-fokussierte Bewältigung konzentriert sich auf das hervorgerufene Gefühl.
- Problem-fokussierte Bewältigung zielt darauf ab, konkrete Schritte zu unternehmen.
- Bedeutung-fokussierte Bewältigung hilft, Sinn zu konstruieren und lässt das Gefühl der Hoffnung zu.
Den Fokus auf Lösungsansätze zu legen, ist längerfristig besser, da der emotional-basierte Ansatz nicht die zugrundeliegende Schwierigkeit angeht. Wenn allerdings versucht wird, ein strukturelles Problem auf einer individualisierten Ebene zu lösen, kann das starken Stress verursachen (Clayton, 2020; Ojala, 2021). Bei der Bedeutung-fokussierten Bewältigung wird die Klimakrise anerkannt und versucht, hoffnungsvoll einer schwierigen Situation zu begegnen. Diese Art der Bewältigung ist assoziiert mit dem besten subjektiven Wohlbefinden und guter mentaler Gesundheit (Ojala, 2021; Léger-Goodes et al., 2022). Zukünftig sollten Psycholog:innen berücksichtigen, wie sich der Klimawandel auf die psychische Gesundheit ihrer Patient:innen auswirkt, um im Rahmen einer Psychotherapie adäquat helfen zu können (Wortzel et al., 2022).
Abwehrmechanismen
Der Grat zwischen umweltbewusstem Verhalten und Vermeidungsverhalten ist schmal (Stewart et al., 2023). Wer sich nicht faktisch mit der Klimakrise auseinandersetzt, neigt dazu, die drohende Gefahr zu verharmlosen (Dodds, 2021). Das kann dazu führen, dass Klimaleugner:innen idealisiert und Expert:innen diskreditiert werden (Dodds, 2021; Marazziti, 2021). Je mehr an Klimamythen geglaubt wird, desto weniger wird von Klimaangst berichtet (Tucholska et al., 2024).
Psychologische Distanz beschreibt den wahrgenommenen Abstand, in Bezug auf Raum und Zeit, zwischen der eigenen Person und den Auswirkungen des Klimawandels. Menschen, die die Folgen unmittelbar erleben, sind eher bereit, sich für Umweltthemen einzusetzen (Stewart et al., 2023).
Resilienz aufbauen
Eco-Generativität
Generativität bedeutet allgemein, ein Verantwortungsbewusstsein gegenüber nachfolgenden Generationen zu haben und diese im täglichen Handeln und Alltag mitzudenken. Das Konzept von Eco-Generativität erweitert diese Idee um die Dimensionen der Umwelt. Eco-Generativität steht in der Forschung noch am Anfang, hat jedoch das Potenzial, eine produktive Antwort auf Eco-Anxiety zu sein und kann als Ressource bei der Bewältigung von Klimaangst gesehen werden (Di Fabio & Svicher, 2024).
Aktive Bewältigung und Aktivismus
Aktive Bewältigung bedeutet, wenn nötig, Unterstützung zu suchen und an realistischen Lösungsansätzen zu arbeiten (Clayton et al., 2017). Dem Klimawandel kann man sich nicht entziehen. Im Rahmen der limitierten Möglichkeiten ist vor allem Engagement im Klimaschutz und diesen in den Alltag zu integrieren am ehesten umsetzbar. Das hilft auch gegen das Gefühl von Ohnmacht (Schmitt & Plank, 2024).
Die Klimaaktivistin Greta Thunberg zeigt vor, wie Aktivismus ein Zeichen für den Wunsch nach entschlossener Klimapolitik sein kann. Sich in Bewegungen wie Fridays for Future zu organisieren, hilft, sich den eigenen Ängsten und Sorgen aktiv entgegenzustellen. Klimawandel und die Klimakrise sind politisch (Clayton, 2020).
Soziale Beziehungen
Stabile Beziehungen und die Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft sind eine Quelle von Sicherheit. Zudem senken sie das Angst- und Stresslevel sowie die Wahrscheinlichkeit, Trauma zu entwickeln. Sie erweisen sich als protektiver Faktor gegen Klimaangst (Clayton et al., 2017).
Fazit
Die Forschung ist sich einig, dass die fortschreitende Erwärmung der Erde eine existenzielle Bedrohung darstellt. Das sorgt für Klimaangst und betroffen sind vorwiegend junge Menschen, die beim Gedanken an ihr zukünftiges Leben Panik verspüren, denn die Folgen der Klimakrise werden in Zukunft auch im Alltag deutlich spürbar sein.
Klimaangst ist dabei nichts Pathologisches, sondern im Grunde die einzig logische Reaktion auf den derzeitigen Zustand der Welt. Sie kann jedoch in aktives Handeln umgewandelt werden und somit produktiv sein. Tipps, damit Klimaangst motivierend wirkt, sind, den Gefühlen möglichst lösungsorientiert und zuversichtlich zu begegnen und Resilienz aufzubauen. Das kann zum Beispiel geschehen durch die Integration des Konzepts "Eco-Generativität", sich im Umweltschutz zu organisieren und soziale Beziehungen zu pflegen. So können Verzweiflung und Angst konstruktiv wirken.
Quellen
Chen, S., Bagrodia, R., Pfeffer, C. C., Meli, L. & Bonanno, G. A. (2020). Anxiety and resilience in the face of natural disasters associated with climate change: A review and methodological critique. Journal Of Anxiety Disorders, 76, 102297. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102297
Clayton, S. (2020). Climate anxiety: Psychological responses to climate change. Journal Of Anxiety Disorders, 74, 102263. https://doi.org/10.1016/j.janxdis.2020.102263
Clayton, S., Manning, C., College, M., Krygsman, K., Speiser, M., Cunsolo, A., et al. (2017). Mental Health and Our Changing Climate: Impacts, Implications, and Guidelines (p. 70). American Psychological Association, and ecoAmerica. Available online at: https://www.apa.org/news/press/releases/2017/03/mentalhealth-climate.pdf
Comtesse, H., Ertl, V., Hengst, S. M. C., Rosner, R. & Smid, G. E. (2021). Ecological Grief as a Response to Environmental Change: A Mental Health Risk or Functional Response? International Journal Of Environmental Research And Public Health, 18(2), 734. https://doi.org/10.3390/ijerph18020734
Di Fabio, A. & Svicher, A. (2024). The challenge of eco-generativity. Embracing a positive mindset beyond eco-anxiety: a research agenda. Frontiers in Psychology, 15. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2024.1173303
Dodds, J. (2021). The psychology of climate anxiety. BJPsych Bulletin, 45(4), 222–226. https://doi.org/10.1192/bjb.2021.18
Godden, N. J., Farrant, B. M., Farrant, J. Y., Heyink, E., Collins, E. C., Burgemeister, B., Tabeshfar, M., Barrow, J., West, M., Kieft, J., Rothwell, M., Leviston, Z., Bailey, S., Blaise, M. & Cooper, T. (2021). Climate change, activism, and supporting the mental health of children and young people: Perspectives from Western Australia. Journal Of Paediatrics And Child Health, 57(11), 1759–1764. https://doi.org/10.1111/jpc.15649
Kurth, C. & Pihkala, P. (2022). Eco-anxiety: What it is and why it matters. Frontiers in Psychology, 13. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.981814
Lau, S. S. S., Fong, J. W. L., Van Rijsbergen, N., McGuire, L., Ho, C. C. Y., Cheng, M. C. H. & Tse, D. (2024). Emotional responses and psychological health among young people amid climate change, Fukushima’s radioactive water release, and wars in Ukraine and the Middle East, and the mediating roles of media exposure and nature connectedness: a cross-national analysis. The Lancet Planetary Health, 8(6), e365–e377. https://doi.org/10.1016/s2542-5196(24)00097-4
Léger-Goodes, T., Malboeuf-Hurtubise, C., Mastine, T., Généreux, M., Paradis, P. & Camden, C. (2022). Eco-anxiety in children: A scoping review of the mental health impacts of the awareness of climate change. Frontiers in Psychology, 13. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2022.872544
Marazziti, D., Cianconi, P., Mucci, F., Foresi, L., Chiarantini, I. & Della Vecchia, A. (2021). Climate change, environment pollution, COVID-19 pandemic and mental health. The Science Of The Total Environment, 773, 145182. https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2021.145182
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