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Mental Load: Was ist das und was kann man dagegen tun?

Mental Load als unsichtbare Belastung in Familien mit Kindern ist in den vergangenen Jahren immer mehr in den Fokus von Debatten rund um gleichberechtigte Elternschaft und faire Arbeitsteilung gerutscht. Was ist Mental Load überhaupt und wie kann man diese Belastung im Familienalltag reduzieren? Der folgende Beitrag beleuchtet das Konzept Mental Load und erklärt, warum dieser als große Belastung erlebt wird. Außerdem werden die Auswirkungen von Mental Load und wer am meisten betroffen ist, untersucht. Der Zusammenhang zwischen Mental Load, Geschlechterrollen und Beziehungskonstellationen wird beschrieben. Schließlich folgen Tipps, wie sich Mental Load reduzieren und fairer innerhalb der Beziehung verteilen lässt.

Mental Load: Was ist das und was kann man dagegen tun?

Was ist Mental Load?

Das Geschenk für den kommenden Geburtstag will gekauft, der Abwasch erledigt, Spülmittel besorgt, der Arzttermin ausgemacht, der Schokoladenfleck eingeweicht und das Abendessen geplant werden. All diese Aufgaben schwirren im Kopf herum und die Liste an Alltagserledigungen scheint schier endlos.

Elternsein ist ein Vollzeitjob und besonders intensive Phasen, wie der bevorstehende Schulstart,  erzeugen zusätzlichen Stress. Schulmaterialien müssen gekauft, beschriftet und sortiert werden. Schulkleidung und Sportausrüstung könnten ebenfalls nötig sein. Der neue Stundenplan muss mit den beruflichen Pflichten der Eltern und den außerschulischen Aktivitäten der Kinder abgestimmt werden. Der Schulweg und die Kinderbetreuung am Nachmittag müssen organisiert werden. Zudem sind regelmäßige Absprachen mit Lehrkräften und die Teilnahme an Elternabenden notwendig, ebenso wie das Ausfüllen von Formularen. Auch die emotionale Vorbereitung des Kindes auf den Schulstart und die Etablierung neuer Routinen sind wichtig. Viele Kinder sind nervös und aufgeregt und benötigen emotionale Unterstützung. Hinzu kommt die Essensplanung für den Schultag, vor allem bei speziellen Ernährungsformen, Allergien und Unverträglichkeiten.

Es sind vermeintliche Kleinigkeiten, aber diese summieren sich zu einer überwältigenden Menge an To-Dos und Terminen. Das ist, was Mental Load ausmacht: Die notwendige Planung und Koordination, damit der Alltag funktioniert.

Definition von Mental Load

"Mental Load" beschreibt die konstante Belastung, die durch das Planen, Organisieren und Erledigen von täglich anfallenden To-Dos zustande kommt. Der Load (dt. Last, Bürde) besteht dabei nicht nur aus dem Abarbeiten der Aufgaben, sondern vor allem aus dem ständigen Vorausplanen, daran Denken und Umsetzen (Schrammel, 2022).

In der Soziologie und feministischen Diskursen besteht das Konzept schon seit langer Zeit, ist seit der Corona-Pandemie aber der breiten Öffentlichkeit ein Begriff (Cammarata, 2021; Schrammel 2022). Mental Load wird zunehmend in Debatten rund um gleichberechtigte Eltern- und Partner:innenschaft diskutiert (Cammarata, 2021), da während der Pandemie auffiel, was lange nicht angegangen wurde: Unbezahlte Care Arbeit und Familienmanagement wurde und wird mehrheitlich von Frauen verrichtet und stellt eine große Belastung dar (Schrammel, 2022).

Care Arbeit

Care Arbeit (dt. Fürsorgearbeit) bezeichnet jegliche Form von Organisationsarbeit, die das "Unternehmen Familie" am Laufen hält. Darunter fällt unter anderem Kinder betreuen, Kümmern um Angehörige und das Sauberhalten der Wohnung (Schrammel, 2022).

Die Pandemie zeigte, dass die Ressourcen nicht reichen, um gleichzeitig bezahlter und unbezahlter Arbeit nachzugehen (Dean et al., 2022) und rückte ins allgemeine Bewusstsein, wie viel Care Arbeit tagtäglich anfällt und scheinbar nebenbei erledigt wird. Während Arbeitsplatz (bezahlte Arbeit) und Zuhause (unbezahlte Arbeit) vor der Pandemie häufig getrennt voneinander waren bzw.  die Care Arbeit an Kindergärten oder Reinigungskräfte ausgelagert wurde, war die plötzliche Gleichzeitigkeit dieser Welten nicht mehr stemmbar (Cammarata, 2021). Mit dem Begriff "Mental Load" gab es nun endlich ein Vokabular für diese Zusatz- und Überlastung.

Wer ist primär von Mental Load betroffen?

Vorwiegend Frauen in heterosexuellen Paarbeziehungen sind von Mental Load betroffen. Zurückzuführen lässt sich das darauf, dass Hausarbeit und Care Arbeit nach wie vor weiblich konnotiert und genderspezifischen verteilt sind (Dean et al., 2022). Häufig ist eine einzelne Person, meist die Frau, für die Alltagsorganisation verantwortlich ist und wird als "Familienmanager:in" bezeichnet (Schrammel, 2022).

Dieses Phänomen tritt unabhängig von den Stunden der Erwerbsarbeit auf, also auch in Beziehungen, in denen beide Partner:innen gleich viel arbeiten (Cammarata, 2021). Tatsächlich ist die Erschöpfung durch Mental Load gerade für Frauen, die in Haushalten mit zweifachem Einkommen leben, besonders hoch, da sie neben ihrem Vollzeitjob den Großteil der Care Arbeit allein bewältigen. Sie müssen "alles" managen (Dean et al., 2022; Delaney et al., 2023) und nach Feierabend startet für sie oft die "zweite Schicht" des Tages. Erst wird die Erwerbsarbeit erledigt, dann folgt die Fürsorgearbeit (Hochschild & Machung, 2012).

Die einzelnen To-Dos könnten für sich betrachtet schnell erledigt werden. Es ist die Summe, die anstrengt und Mental Load so zeitintensiv macht. Nachdem die vielen daran geknüpften Aufgaben jedoch oft unsichtbar sind, wird der dahinterstehende Aufwand von etwa dem Kauf eines Geschenks nicht gesehen und folglich nicht wertgeschätzt (Schrammel, 2022).

Als Familienmanager:in trägt man die Verantwortung, alles Notwendige zu erledigen. Je länger man diese Rolle innehat, desto effizienter und besser wird man. Dieser Erfahrungsvorsprung wird oft als Argument angeführt, nichts an der Situation zu ändern, denn der:die Familienmanagende ist tatsächlich kompetenter in der Durchführung der Planung. Übung hat die verantwortliche Person "zum Profi werden lassen" (Schrammel, 2022). Viele Paare teilen einen Kalender und haben Zugriff auf alle Termine und Erledigungen, doch Männer führen meist nur aus. Dazu befragt, äußern sie, nicht so kompetent wie ihre Partnerinnen zu agieren und sich deswegen zurückzunehmen. Reflektiert, woher der Kompetenzunterschied kommt, wird kaum (Daminger, 2019).

Eigenschaften von Mental Load

Anfängliche Auseinandersetzungen mit der Belastung durch Kinder, Haushalt und Familienmanagement fokussieren hauptsächlich die physische Hausarbeit, wie Putzen oder Kochen. Mental Load umfasst zwar in den meisten Definitionen auch Tätigkeiten im Haushalt, geht aber weit darüber hinaus. Um diese Last wirklich zu verstehen, müssen die kognitiven und emotionalen Aspekte mitgedacht werden (Daminger, 2019; Dean et al., 2022).

Mentale und emotionale Arbeit

Frühere Konzeptualisierungen betrachten die kognitive Arbeit im Familienalltag als Anstrengung durch Denken (Dean et al., 2022) und während diese Definition prinzipiell nicht falsch ist, ist sie stark komplexitätsreduzierend und wird Mental Load nicht gerecht.

Mentale Arbeit bei Mental Load kann unterteilt werden in (Daminger, 2019):  

  1. Bedürfnisse vorhersehen
  2. Mögliche Handlungsoptionen erkennen, um diese Bedürfnisse zu erfüllen
  3. Auswahl einer der Optionen
  4. Überwachung der Ergebnisse  

Frauen in heterosexuellen Beziehungen übernehmen einen Großteil dieser mentalen Planungsarbeit, besonders beim Vorhersehen und Überwachen. Diese Schritte geschehen oft in der genannten Reihenfolge, können aber auch gleichzeitig ablaufen und dauern manchmal Sekunden, manchmal mehrere Tage. Mental Load funktioniert nie nach einem fixen Schema und jede Aufgabe muss individuell durchgedacht werden (Daminger, 2019).

Emotionale Arbeit bedeutet die gleichzeitige Regulation der eigenen Gefühle sowie die der Menschen um einen herum (Hochschild, 2012). Häufig ist das Ziel, den emotionalen Zustand anderer zu verbessern (Curran et al., 2015). Ein Beispiel wäre, in einer stressigen Situation ruhig und freundlich zu reagieren und sich die eigene Überforderung nicht anmerken zu lassen (Daminger, 2019).

Mental Load umfasst sowohl kognitive als auch emotionale Arbeit. Diese Kombination führt schließlich zu der Last, die sich von rein mentaler oder körperlicher Arbeit unterscheidet. Familienangelegenheiten sind zwangsläufig emotional aufgeladen, egal wie "trivial" die Aufgabe erscheint, weshalb es sich nie nur um kognitive Anstrengung handelt. Diese Arbeit hat immer persönliche Konsequenzen (Dean et al., 2022).

Ein Beispiel zeigt, wie Familienarbeit und Erwerbsarbeit ineinandergreifen und Mental Load erzeugen:  Die Mutter muss den Tagesablauf und Routinen ihres Kindes im Blick haben und an wichtige Termine denken. Das ist kognitive Arbeit. Gleichzeitig denkt sie darüber nach, wie das Kind den Tag erlebt, und sorgt sich um sein Wohlergehen, wobei es sich um emotionale Arbeit handelt. Diese Gedanken passieren oft während der Arbeit, wo die Sorgen verborgen werden müssen, um professionell zu bleiben, was zusätzliche emotionale Arbeit bedeutet (Dean et al. 2022; Mendel, 2023).

Aufgaben, die zu Mental Load gehören, sind typischerweise durch Unsichtbarkeit, Grenzenlosigkeit und Dauerhaftigkeit charakterisiert.  

1. Unsichtbarkeit

Hausarbeit war immer zu einem gewissen Grad unsichtbar, obwohl sie für das Funktionieren der Gesellschaft essenziell ist. Da Care Arbeit noch nie als gleichwertig zu Erwerbsarbeit oder überhaupt als Form von Arbeit gesehen wurde, wird sie als Selbstverständlichkeit angesehen. In Wirtschaftsdebatten etwa wird Fürsorgearbeit konsequent ausgeblendet, wenngleich die Wirtschaft zusammenbräche, würde unbezahlte Care Arbeit nicht mehr verrichtet werden (Dean et al., 2022).

Die völlige Immateralität von Mental Load bestärkt diese Unsichtbarkeit noch zusätzlich, da am Ende eines Putztages zumindest das Produkt in Form einer sauberen Wohnung steht, während Mental Load immer ohne sichtbares Ergebnis bleibt und überwiegend im Inneren stattfindet (Dean et al., 2022). Dementsprechend gibt es weder von der Gesellschaft noch von der Beziehungsperson Anerkennung dafür (Schrammel, 2022).

2. Grenzenlosigkeit

Die Belastung durch Mental Load ist einzigartig insofern, als sie immer und überall verrichtet werden kann. Physische Hausarbeit hingegen ist an bestimmte Zeiten und Orte gebunden und enthält keine emotionale Komponente (Dean et al., 2022).

Diese Grenzenlosigkeit bedeutet, dass Mental Load jede andere Aktivität stören kann, sei es Erwerbsarbeit, Freizeit oder andere Beschäftigungen. Besonders die Aufgabe, Bedürfnisse zu erkennen, ist abstrakt und muss vorausschauend durchgeführt werden. Daher hat sie auch das größte Potenzial, zu stören und abzulenken (Daminger, 2019).

3. Dauerhaftigkeit

Eine weitere Komponente von Mental Load ist ihre Dauerhaftigkeit. Während körperliche Hausarbeit erledigt und abgeschlossen werden kann, ist das bei Mental Load nicht möglich. Die Fürsorge für Familienangehörige und das Regulieren und Überwachen von Emotionen sind andauernde Aufgaben, die keinen klaren Anfangs- oder Endpunkt haben und folglich auch keine Pause zulassen (Dean et al., 2022).

Auswirkungen von Mental Load

Mental Load kann verschiedenste Lebensbereiche beeinflussen und belasten.

Psychische Gesundheit

Wird die mentale Belastung durch Mental Load über längere Zeit ignoriert, geht das mit enormem Stress einher und kann Erschöpfungszustände begünstigen (Haupt & Gelbgiser, 2023). Erwerbstätige Mütter berichten von Angstgefühlen und der permanenten Sorge, zu wenig Zeit für anfallende Aufgaben zu haben (Craig & Brown, 2016). So machte der Anstieg von Burnouts bei Frauen während der Corona-Pandemie deutlich, dass ein Übermaß an Mental Load reale Folgen nach sich zieht (Thompson, 2022).

Emotionale Arbeit ist besonders kräftezehrend und erfordert viel Energie. Ohne ausreichende Entlastung kann dies zu Depressionen und Angststörungen führen. Mütter müssen nicht nur ihre eigenen Emotionen, sondern auch die ihrer Familienmitglieder managen, was den Mental Load erheblich verstärkt (Dean et al., 2022). Dabei dürfen sie ihre Erschöpfung nicht zeigen (Mendel, 2023).

Wenn Frauen von der Norm der perfekten Mutter und Hausfrau abweichen, wird das gesellschaftlich streng geahndet. Nur das Ausbleiben von Care Arbeit wird bemerkt und ihr Versäumnis meist der Frau angelastet. Das erhöht den innerlichen Druck, der Erwartung alles im Griff zu haben, gerecht zu werden, und nicht als schlechte Mutter zu gelten und ist ein weiterer Stressfaktor. Männer hingegen werden für das Erledigen solcher Aufgaben gelobt und erhalten die Anerkennung, die Frauen nicht bekommen (Haupt & Gelbgiser, 2023).

Vielen Frauen ist gar nicht bewusst, wie viel sie täglich leisten. Sie sind mit diffusen Stressgefühlen konfrontiert, die sie nicht benennen können (Daminger, 2019). Das zeigt, wie wichtig die Thematisierung von Mental Load ist, damit diese der Gesundheit abträglichen Strukturen aufgezeigt und benannt werden können (Mendel, 2023).

Belastungen für die Beziehung und am Arbeitsplatz

Wenn der Partner nicht versteht, welche Last Mental Load darstellt, entstehen Konflikte. Für die Person, die den Mental Load nicht trägt, ist unklar, was das eigentliche Problem ist (Mendel, 2023), da die unfaire Arbeitsteilung nicht als Ungerechtigkeit erkannt wird (Daminger, 2020). Arbeit ohne Anerkennung und Wertschätzung ist eine große Belastung für Beziehungen, da es an Verständnis für das Verhalten des anderen mangelt (Daminger, 2019).

Vielfach wird die Erwerbstätigkeit der Mutter als Zuverdienst zum Familieneinkommen gesehen und ist der Erwerbsarbeit des Vaters nicht gleichgestellt. Frauen passen ihre Arbeitsverhältnisse öfter an ihre momentane Familiensituation an als Väter und das kann Ablehnung hervorrufen. Auch berichten Frauen häufiger von Reibungspunkten zwischen ihrer Rolle als Mutter und Berufstätige, da die jeweiligen Aufgabengebiete dieser Rollen sich in vielen Punkten konträr zueinander verhalten. Väter fühlen diese Spannung meist nicht in vergleichbarem Ausmaß (Cooklin et al., 2014).

Ebenfalls werden die Karrierechancen von Frauen einschränkt. Arbeitszeit von Müttern wird im Vergleich zu ihren Partnern weitaus öfter durch Mental Load gestört. Das gilt auch für Freizeit. Effektives Arbeiten und tatsächliches Abschalten ist somit erschwert (Craig & Brown, 2016). Männer gaben mehrheitlich an, sich während ihrer Erwerbstätigkeit vollständig auf die Arbeit zu konzentrieren und ihre Rolle als Vater und Partner völlig ausblenden zu können, während Frauen das Gegenteil äußerten (Daminger, 2020).

Mental Load und Geschlechterrollen

Fürsorge und Kümmern wird mit dem Weiblichen assoziiert und diese Vorstellungen sind tief in der Gesellschaft verankert. Die Idee der "natürlichen Mutterliebe", die die Zuständigkeit der Mutter für kümmernde Tätigkeiten mit ihrer von Natur aus besseren Eignung dafür zu argumentieren versucht, ist nicht haltbar, aber dennoch weitverbreitet (Mendel, 2023). So erscheint es nur logisch, wenn Frauen einen Großteil der Fürsorgearbeit auffangen.

Mit Geburt des ersten Kindes verfallen viele ehemals gleichberechtigte Paare in sehr traditionelle Rollenverteilungen. Dieses Phänomen wird "Retraditionalisierung" genannt und geschieht zumeist unbewusst. Die Unsichtbarkeit von Mental Load verstärkt diese Dynamiken, denn während körperliche Hausarbeit leicht erkennbar ist, wird das mentale Vorausdenken oft übersehen, selbst von der Person, die den Mental Load trägt (Daminger, 2019). Mütter finden sich oft automatisch in der Rolle der Planerin und Betreuerin wieder, ohne dass dies bewusst entschieden oder gar ausgehandelt wurde (Dean et al., 2022).

Die ungleiche und zulasten der Frau gehende Arbeitsteilung trifft auch Paare, die aktiv eine gleichberechtigte und faire Beziehung anstreben. Die dahinterstehenden Prozesse werden als unabhängig vom Geschlecht gesehen und als persönliche Entscheidung verstanden. Zwar gaben die befragten Paare an, idealerweise den Mental Load 50:50 zu verteilen, aber die tatsächliche Umsetzung erschien vielen als unmöglich (Daminger, 2020).

In Partnerschaften mit Kindern, in denen die Arbeit nicht traditionell aufgeteilt wird, sind die Männer meist Stay-at-Home-Väter. Dies könnte darauf hindeuten, dass Mental Load nicht geschlechtsspezifisch ist, sondern von der Person getragen wird, die mehr Zeit zu Hause verbringt oder weniger verdient. Dem widersprechen zahlreiche Berichte von Frauen, die trotz höherem Einkommen oder gleicher Stundenauslastung mehr Mental Load übernehmen (Daminger, 2019; Syrda, 2022). Diese Ergebnisse können dahingehend interpretiert werden, dass Frauen, die traditionelle Geschlechterrollen brechen, dies durch ein Mehr an Hausarbeit zu kompensieren versuchen. Abermals wird der starke Einfluss von erlernten Rollen deutlich (Syrda, 2022).

Wichtig ist darüber hinaus der Begriff des "Maternal Gatekeeping". Er beschreibt die vermeintliche Tendenz von Müttern, gar nicht zu wollen, dass Väter ihnen zur Hand gehen und helfen. In diesem Kontext von "helfen" zu sprechen, zeigt bereits die erste Problematik auf, wenn das Ziel Gleichberechtigung ist, denn niemand sollte "zuarbeiten" müssen (Mendel, 2023). Den Vater als Mitarbeiter zu sehen, nimmt an, dass er erst Anweisungen benötigt, um tätig zu werden, anstatt von sich aus die Hälfte der Aufgaben zu übernehmen. Auch der gut gemeinte Vorschlag, einfach um Hilfe zu bitten, weist dem Mann eine passive Rolle zu und ist keine Entlastung, da das Erklären einer Aufgabe fast so viel Zeit und Energie in Anspruch nimmt, wie sie selbst zu erledigen (Cammarata, 2021). Maternal Gatekeeping als Argument und Erklärung für Nichtbeteiligung an Care Arbeit, nimmt wieder die Frau in die Verantwortung, da impliziert wird, sie selbst sei durch ihr Verhalten schuld an der Situation, was strukturelle Probleme verkennt.

Gleichberechtigte Ideale scheinen oft an der Realität zu scheitern, aber das muss nicht so bleiben. Wie Equal Care gelingen kann, zeigt der nächste Abschnitt.

Raus aus der Mental Load Falle!

Zunächst muss klar sein, dass Personen in einer Beziehung nicht ausschließlich für entweder Fürsorge oder Erwerbstätigkeit zuständig sind. Einerseits, weil Mental Load besonders berufstätige Frauen betrifft, die sowohl arbeiten, als auch Fürsorge leisten. Andererseits, weil nicht der Eindruck entstehen darf, dass für den Mann nach Feierabend keine Verantwortung mehr besteht und alles, was er danach tut, als Zusatz und besondere Leistung zu werten ist (Cammarata, 2021).

Alle Organisationsmethoden und Produktivitätstipps helfen in diesem Fall nicht weiter, da das Problem nicht in der besseren Koordination eines dysfunktionalen Systems liegt, sondern in der ungerechten Verteilung von Verantwortung (Cammarata, 2021). Mental Load erfordert viel emotionale Arbeit und spontane Reaktionen auf unvorhergesehene Bedürfnisse, was es schwer macht, sie zu automatisieren. Das erklärt, warum Planungstools versagen müssen (Dean et al., 2022).

Maximale Effizienz sollte in der Verteilung der Verantwortungsübernahme von Alltagsaufgaben nicht im Vordergrund stehen. Familie ist kein Projekt, das es zu optimieren gilt. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, dass beide Partner:innen als Team agieren, wissen, was zu tun ist und die notwendigen Informationen haben, um ihre Aufgaben gut zu erledigen (Cammarata, 2021).

Schritte, um Mental Load zu reduzieren

1. Arbeit sichtbar machen

Zuerst sollte ein offenes Gespräch stattfinden, in dem beide Partner:innen ihre Ansichten teilen können. Danach schreiben beide detailliert auf, für welche Aufgaben sie normalerweise zuständig sind. Je ausführlicher, desto besser, um möglichst den gesamten Umfang der Tätigkeiten zu erfassen. Besonders wichtig sind Dinge, die täglich zu erledigen sind, da diese das größte Stresspotenzial haben und nur schwer verschoben werden können (Fröhlich, 2020).

2. Arbeit und Zeitaufwand messen

Anschließend wird der Zeitaufwand für jedes To-Do gemessen, um Unterschiede zwischen gefühlter und tatsächlicher Dauer zu erkennen. Die Stunden werden zusammengezählt und gerecht aufgeteilt. Regelmäßige Planung ist dabei unerlässlich. Zu Beginn der Woche sollten alle anfallenden Aufgaben durchgegangen werden, um sicherzustellen, dass sie vollständig übernommen werden (Cammarata, 2021).

Hinsichtlich des anstehenden Schulbeginns könnte das vollständige Übernehmen von "Jausenbox herrichten" so aussehen:

Vorbereitung

  • wissen, was das Kind gerne isst und ob es Allergien o.Ä. hat
  • wissen, ob/wann Nachmittagsunterricht stattfindet und Essensmenge anpassen
  • Essensoptionen überlegen für Abwechslung
  • Zutaten besorgen
  • eventuell Jausenboxen besorgen

Tatsächliche Aufgabe

  • Jause zubereiten
  • sicherstellen, dass Jause eingepackt wird

Nachbereitung

  • notieren, wenn Dinge aufgebraucht wurden und nachgekauft werden müssen  
  • diese Dinge auf die Einkaufsliste setzen
  • Küche aufräumen und Geschirrspüler einräumen
  • dreckige Jausenboxen säubern

Erst, wenn alle diese Dinge erledigt wurden, gilt die Aufgabe als übernommen, da sonst für die andere Person zusätzliche Arbeit anfällt und nur noch mehr Mental Load entsteht.

3. Evaluation

Die Abmachungen sollten regelmäßig überprüft werden, um zu sehen, was langfristig funktioniert und wo Anpassungen nötig sind. An dieser Stelle ist es wichtig, über Erwartungen zu sprechen und  Mindeststandards festzulegen, z. B. beim Thema Sauberkeit. Mindeststandards halten fest, was zumindest erledigt sein muss, damit beide Personen sich wohlfühlen (Cammarata, 2021).

Regelmäßige Evaluation hilft, Ungleichgewichte früh zu erkennen und die betroffenen Bereiche anders zu organisieren. So können potenzielle Belastungen im Voraus besprochen und Spannungen vermieden werden (Cammarata, 2021). Care Arbeit sollte möglichst nie von einer einzigen Person erledigt werden (Fröhlich, 2020).

Tipp!

Eine faire Verteilung im Alltag kann für jedes Paar etwas anderes bedeuten. Genau 50:50 ist in den meisten Fällen unrealistisch und kann Druck erzeugen. Solange beide gleichermaßen am Familienmanagement beteiligt sind, ist egal, wie das in der konkreten Umsetzung aussieht (Mendler, 2023).  

Fazit

Es zeigt sich, dass Mental Load viele Bereiche des Alltags beeinflusst und durch die Verschränkung von mentaler und emotionaler Arbeit zur Last wird. Betroffene sind primär berufstätige Frauen in heterosexuellen Beziehungen, was sich auf  internalisierte Geschlechterrollen und Strukturen  zurückführen lässt. Der Stress und die Erschöpfung, die durch Mental Load entstehen, bleiben oft unsichtbar, was sie besonders belastend macht. Die psychische Gesundheit und Beziehung kann darunter stark leiden. Indem Partner:innen offen über ihre Überforderung sprechen und ihre Erwartungen klar kommunizieren, gelingt eine Umverteilung der Familienarbeit. Wichtig ist, erlernte Rollenvorstellungen und Zuständigkeiten zu reflektieren. Es reicht nicht, Gleichberechtigung zu wollen, sie muss aktiv umgesetzt werden.

Quellen

Cammarata, P (2021). Mental Load. In Handbuch Feministische Perspektiven auf Elternschaft. Verlag Barbara Budrich.https://doi.org/10.2307/j.ctv25c4z9b.41

Cooklin, A. R., Westrupp, E.,Strazdins, L., Giallo, R., Martin, A. & Nicholson, J. M. (2014b). Mothers’ work–family conflict and enrichment: associations with parenting quality and couple relationship. Child Care Health And Development,41(2), 266–277. https://doi.org/10.1111/cch.12137

Craig, L. & Brown, J. E. (2016). Feeling Rushed: Gendered TimeQuality, Work Hours, Nonstandard Work Schedules, and Spousal Crossover. Journal Of Marriage And Family,79(1), 225–242. https://doi.org/10.1111/jomf.12320

Curran, M. A., McDaniel, B. T., Pollitt, A. M. & Totenhagen, C. J.(2015). Gender, Emotion Work, and Relationship Quality: A Daily Diary Study. Sex Roles, 73(3–4), 157–173. https://doi.org/10.1007/s11199-015-0495-8

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Daminger, A. (2020). De-gendered Processes, Gendered Outcomes: How Egalitarian Couples Make Sense ofNon-egalitarian Household Practices. American Sociological Review, 85(5), 806–829. https://doi.org/10.1177/0003122420950208

Dean, L., Churchill, B., &Ruppanner, L. (2022). The mental load: building a deeper theoretical understanding of how cognitive and emotional labor overload women and mothers. Community, Work & Family, 25(1), 13–29. https://doi.org/10.1080/13668803.2021.2002813

Delaney, C., Bobek, A. &Clavero, S. (2023). “It was too much for me”: mental load, mothers, and working from home during the COVID-19 pandemic. Frontiers in Psychology, 14. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2023.1208099

Fröhlich, S. (2020). Die Frau fürs Leben ist nicht das Mädchen für alles. (4. Aufl.). Kösel.

Haupt, A. & Gelbgiser, D.(2023). The gendered division of cognitive household labor, mental load, andfamily–work conflict in European countries. European Societies, 1–27. https://doi.org/10.1080/14616696.2023.2271963

Hochschild, A. R. (2012). The Managed Heart :Commercialization of Human Feeling. (3rd ed.). Berkerley :: University ofCalifornia Press.

Hochschild, A. R. & Machung, A. (2012). The Second Shift: Working Familiesand the Revolution at Home. http://ci.nii.ac.jp/ncid/BB08862585

Mendel, A. (2023). Liebe denkt nicht an die Wickeltasche. Sozialmagazin, 5–6, 36–42. https://doi.org/10.3262/sm2306036

Syrda, J. (2022). Gendered Housework: Spousal Relative Income,Parenthood and Traditional Gender Identity Norms. Work Employment And Society, 37(3), 794–813. https://doi.org/10.1177/09500170211069780

Thompson, R. J. (2022). Changing Realities for Women and Work: TheImpact of COVID-19 and Prospects for the Post-Pandemic Workplace. Merits, 2(3), 164–169. https://doi.org/10.3390/merits2030012

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